Dragoslav Dedović (*1963)
Bio-Bibliographie
ERINNERUNG AN DIE KUNSTHALLE <=>
SJEĆANJE NA KUNSTHALLE
KIESELSTEINCHEN <=>
PILJAK
ERINNERUNG AN DIE KUNSTHALLE
Ich trat ein hungrig zu überprüfen ob
Munch in Hamburg dasselbe ist wie Munch in Oslo
Ist es nicht
Touristengrüppchen murmeln um besoldete Führer herum die routiniert
Das Verhältnis von Hysterie und Melancholie im
Expressionismus erklären hauptsächlich Kolonialsprachen plus
Japanisch und Chinesisch
Ohne Rücksicht auf Rasse Geschlecht politische Überzeugung
Anmaßung ist global – die Konsumenten
Kehren den Leinwänden die Rücken zu um die Gebrauchsanweisung zu hören
Ich hielt mich fast bis zur Schließung in den Nebengemächern auf
Bei den weniger berühmten Bildern vergaß ich meinen Hunger
Ein zeitweiliger Triumph ästhetischen Magnetismus über
Die Launen des Geschmacks und die Bedürfnisse des Körpers
All dies notiere ich sehr viel später in Belgrad kurz vor Mitternacht
Der Süden des Kontinents verwandelt sich so in eine Trauer um den Norden
Und hierbei erwacht die Vorsicht des Exilanten welche besagt
Jede Sehnsucht nach der Heimat ist das untrügliche Zeichen dass
Die Heimat in immer weitere Ferne rückt
Ich will nur noch hinzufügen dass ich heute eine Mail gelesen habe
Von dem Mädchen das seit mehr als einem Monat tot ist
So begegnen sich in dieser Notiz Munchs Skrik1 und
Farah Tahirbegović2 zum ersten und zum letzten Mal
Aus dem Serbischen von Cornelia Marks
1 Norwegisch (Muttersprache des Malers Edward Munch): Der Schrei
2 Farah Tahirbegović (1973-2006), verdienstvolle junge Literaturaktivistin aus Sarajevo, die ganz plötzlich verstarb;
heute gibt es in Sarajevo eine Stiftung „Farah Tahirbegović“
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KIESELSTEINCHEN
das täte auch uns das Meer an
wenn wir uns ihm restlos hingegeben hätten:
durchscheinend, schweigsam, zahm
sogar auf dem Handteller eines Scheusals
Aus dem Serbischen von Cornelia Marks
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Dragoslav Dedović ist Dichter, Journalist, Redakteur und Übersetzer, hat sozusagen eine internationale Biographie: geboren in Zemun, einem Stadtbezirk von
Belgrad (damals Teil Jugoslawiens, heute Republik Serbien), aufgewachsen in Kalesija (Bosnien und Herzegowina), Gymnasium in Tuzla, Journalistikstudium in
Sarajevo, Arbeit als Redakteur im Tuzlaer Verlag „Grafičar“. 1992 geht er nach Deutschland, erwirbt in Aachen seinen Magistertitel im interdisziplinären
Studiengang der Europastudien, lebt in Nürnberg, Regensburg, Aachen, Wangen am Bodensee, Köln und Berlin.
Er übersetzt Lyrik und Prosa aus dem Deutschen und schreibt und veröffentlicht auch selbst essayistische und literarische Texte in deutscher Sprache. Für seinen Gedichtband „Cafe Sumatra“ erhielt er 2005 die Jahresauszeichnung des Schriftstellerverbandes Bosnien und Herzegowina. Seine Gedichte wurden ins Deutsche, Englische, Polnische und Norwegische übersetzt. Dragoslav Dedović ist in etlichen repräsentativen Anthologien bosnisch-herzegowinischer Poesie vertreten, wie auch in Anthologien serbischer Dichtung des 20. Jahrhunderts, die in Deutschland und Polen veröffentlicht wurden. |