Milorad Popović (*1957)


Bio-Bibliographie

Verbannte Dichter <=> Izgnani pjesnici
Der Steppenwolf <=> Stepski Vuk
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins <=> Nepodnošljiva lakoća postojanja
Selbsttötung <=> Samoubistvo


Verbannte Dichter

Meine Liebsten, wie sie euch verbannten
in die Provinzen, wo die Schatten
sich einseitig verdichten
wie das Geäst der Olivenbäume.

Wie sie euch nur überschätzten
wie sie euch bestärkten
wie sie gar nicht wussten, dass Worte Windmühlen sind
die sich in Richtung des gewundenen Getreides drehen
und ihre Form verändern
ganz ähnlich dem Wasser.

Aus dem Montenegrinischen von Cornelia Marks


zurück

Der Steppenwolf

In meine wilden Augen
schauen sollst du nicht:
ich bin ein Wolf
der seinen Fuß aufgefressen hat.

Seitdem ich nicht mehr fliehe
sind sie zornig auf mich
mustern regelmäßig meine Augen
ob ich leer bin
ob ich ganz leer bin

und zahm.

Aus dem Montenegrinischen von Cornelia Marks


zurück

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Es ist nicht leicht, frei zu denken, wenn du eine Frau hast
es ist nicht leicht, frei zu denken, wenn du eine Heimat hast
es ist nicht leicht, frei zu denken, wenn du Freunde hast
es ist nicht leicht, frei zu reden, wenn du eine Frau hast
es ist nicht leicht, frei zu reden, wenn du eine Heimat hast
es ist nicht leicht, frei zu reden auf Plätzen, in Kliniken, in Kasernen
es ist nicht leicht, frei zu reden, wenn du alles hast
es ist nicht leicht, alles zu haben und nichts zu sagen
niemand hat es leicht
außer der Herr über die Armeen –

er hat keine einzige Idee

Aus dem Montenegrinischen von Cornelia Marks


zurück

Selbsttötung

                  Für Marina Zwetajewa

Auch Vögel können den Tod vorhersagen.
Der goldene Schatten von Pferdemist
ist gefroren.
Der Morgen schaut sich nicht nach der Weide um.
Der Morgen am Ende.
Das erste Kriegsjahr.
Dein letzter Ruf.
Ein Schuss.

In Jelabuga geht ein Stern
verloren.
Im Fischteich.
Und erhellt die taubenetzte Flur
der endlosen Steppe

Aus dem Montenegrinischen von Cornelia Marks


zurück
Milorad Popović, Dichter und Essayist, geboren 1957 in Lipa Cucka bei Cetinje, Montenegro, ist einer der Begründer des montenegrinischen P.E.N.-Klubs, der Vorsitzende des Verbandes freier Schriftsteller Montenegros, Direktor des „Offenen Kulturforums Cetinje“ („Otvoreni kulturni forum Cetinje“, OKF), Herausgeber zeitgenössischer südslawischer Literatur sowie der Zeitschrift für Literatur, Kultur und gesellschaftliche Fragen „Ars“. Seine Lyrik wurde ins Englische, Italienische, Deutsche, Türkische, Tschechische, Polnische, Litauische, Ungarische, Rumänische, Albanische, Bulgarische und Mazedonische übersetzt.


zurück