Erik Ondrejička (*1964)


Bio-Bibliographie

ANRUF <=> VOLANIE
TÄUBCHEN <=> HOLÚBOK
NOCH EIN VERSUCH ÜBER EURYDIKE <=> EŠTE JEDEN POKUS O EURIDIKU


ANRUF

Dies ist ein Anruf
an alle Stationen
Wenn jemand zufällig
diese Aufzeichnung hört
fliege ich durch absolut
schwarze Finsternis
ohne Ahnung von Richtung
Raum
und Zeit

Ich rufe alle Stationen

Ich fliege durch unendliche Einsamkeit
und ich bin sterblich
in Worte verwandelt

Ich weiß nicht mehr
wo diese Mission begann
und worin ihre Absicht besteht
aber ich entsinne mich meines Namens

ich heiße Gedicht

Deutsch von Cornelia Marks
Interlinearübersetzung aus dem Slowakischen: Anke Madliak



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TÄUBCHEN

Auf dem schrumpfenden Hof sind erkennbar
welkende zerbröckelnde Wände
ein sinkender Himmel
und wie es manchmal in der Dämmerung geschieht
auch ein Hinter-den-Dingen

An diesem Abend haben wir keinen Ball
und spielen Fußball
mit gewickelten Lumpen

Über den Hof zu uns mit starker Brille
wie ein Geist schlurft die alte
Frau Furčak

Tritt nicht die Taube!
ruft sie mit schwacher Stimme gerade dann
als mir ein hoher Schuss gelingt

Der Lumpen fliegt in die anthrazitgraue Dämmerung
In der Höhe zerfällt er
und wie ein Vogel
dem gerade Flügel gewachsen sind
segelt er langsam
bis er wie ein Schatten kauert
auf einem starken Zweig
der blühenden Kastanie
Davongeflogen!
ruft Frau Furčak erleichtert
und schlurft langsam zurück in die Kindheit

Schon damals hätte ich wissen müssen
dass kein Gedicht dieser Welt
je ein Spickzettel dafür sein wird
wie ich leben soll

Deutsch von Cornelia Marks
Interlinearübersetzung aus dem Slowakischen: Anke Madliak



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NOCH EIN VERSUCH ÜBER EURYDIKE

Lasst mich für einen Moment zu euch
an den Ort
wo nichts die Ruhe der Toten stört
wo die Zeit nicht aufgeht
und die Worte der Verkündigung nicht untergehen
an den Ort
wo die unendliche Weite des Universums
allmählich verblasst bis zur Vollkommenheit

Ich verspreche
dass ich mich auf dem Rückweg nicht umschaue

Deutsch von Cornelia Marks
Interlinearübersetzung aus dem Slowakischen: Anke Madliak



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Erik Ondrejička, geboren 1964, Bratislava, ist ein slowakischer Dichter.
Er studierte an der Slowakischen Technischen Universität in Bratislava Geodäsie und Kartographie und ist seit 1986 als Geodät im Katasteramt in Bratislava tätig.
Erik Ondrejička ist Mitglied des Slowakischen P.E.N.-Zentrums und des Klubs unabhängiger Schriftsteller in der Slowakei sowie weiterer literarischer Vereinigungen. Er wurde mehrfach in seiner Heimat ausgezeichnet.

Werke (Auswahl):

2004 – Na vnútornej strane viečok
2006 – Tanec večerných vločiek
2008 – 5 dokonalostí a iné básne (hudobno-poetické CD v spolupráci s hudobníkom Milošom Železňákom)
2009 – (e)Pigramy (kniha epigramov ilustrovaná Ivanom Popovičom)
2009 – Čo sa skrýva v ceruzke (veršovaná kniha pre deti)
2010 – Oči a rýmy – Nočné piesne kamenného mesta (cyklus mestskej poézie)
2011 – reedícia debutovej zbierky Na vnútornej strane viečok
2012 – Proglas – Preklady a básnické interpretácie (účasť na knižnom projekte, spoluautori Konštantín Filozof, E. Pauliny, V. Turčány, Ľ. Feldek, J. Buzássy, K. Džunková, M. Haugová, D. Hevier, R. Jurolek, J. Kuniak, A. Ondrejková, D. Podracká, J. Zambor)
2014 – Krajina Diamantov – Land of Diamonds, 2. vyd. v roku 2018 (zweisprachiger slowakisch-englischer Gedichtband)
2015 – Abecedári (Kinderbuch, illustriert von Barboro Paulovičovou)
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