Stevan Tontić - Der tägliche Weltuntergang Drava Verlag, 2015 - ISBN: 978-3-85435-756-8 21 Nachdichtungen ins Deutsche von Cornelia Marks: 7 gemeinsam mit André Schinkel weitere Übersetzer - Sabine Fahl, Richard Pietrass, Zvonko Plepelić und Bärbel Schulte Rezension - Deutschlandradio Kultur Rezension - Süddeutsche Zeitung |
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Über das Buch (Quelle Drava Verlag) In einer Stadt, in der 1992 Bücher brannten, schrieb, umgeben von Gewalt und Menschenverachtung, ein damals 46-jähriger Lyriker, seine Gedichte. Die Stadt war das von den bosnischen Serben belagerte Sarajevo, der Lyriker – der in Sarajevo gebliebene Serbe Stevan Tontić. »Ich habe diese Gedichte in der dreckigsten und schlimmsten Zeit geschrieben, in der Zeit des Hasses und des Mordens und der Vertreibung von Menschen. Ich habe sie geschrieben, während ich darauf wartete, dass man mich umbringt, furchtbar verletzt oder auf jede erdenkliche Weise erniedrigt.« Unter widrigsten Umständen stellte Stevan Tontić an sich selbst hohe ethische und künstlerische Ansprüche: Die Lyrik soll ihre Wahrhaftigkeit inmitten der massiven medialen Propagandalügen bewahren, ihre Menschlichkeit an Orten der Menschenverachtung nicht verlieren, Trost in der Trostlosigkeit spenden und ästhetischen Glanz in dreckigen Zeiten entfalten. Dank einer selten anzutreffenden Konsequenz im Denken und Handeln gelang es Stevan Tontić, diese Kriterien in so vielen Gedichten zu erfüllen, dass seine literarische Glaubwürdigkeit ihresgleichen sucht. Stevan Tontić war mit seiner ironischen und nachdenklichen Art zu schreiben auch vor dem Jugoslawien-Krieg bereits ein anerkannter Lyriker. Er ist Serbe, Bosnier und Europäer zugleich, wobei diese Identitätsschichten nie gegeneinander agieren, sondern miteinander verflochten sind. Nachdem er der »Hölle von Sarajevo« entkam, nachdem er vom deutschen Exil aus die Bombardierung Belgrads, wo seine Frau Zuflucht gesucht hatte, dramatisch und schmerzhaft erlebte, wurden seine Gedichte zu eindrucksvollen Bekenntnissen und ästhetisch-humanistischen Glanzstücken. In den schlimmsten Zeiten seines Lebens – im Krieg und im Exil – setzte Stevan Tontić alles auf Lyrik, um Zeugnis abzulegen: über all jene, mit denen er solidarisch litt, über Einsamkeit in der Fremde und letztendlich – nach der Rückkehr nach Sarajevo – über die Einsamkeit in der fremd gewordenen Heimat. Diese Auswahl aus den wichtigsten von Stevan Tontićs zwölf Gedichtbänden soll zeigen, dass er mit seiner kompromisslosen Haltung »Lyrik oder nichts« oder noch treffender »Lyrik gegen Nichts« recht behielt. |